
Stand der Pixelwahn zwischenzeitlich still, geht er mit der Nikon D800 in die nächste Runde: 36,3 Megapixel sowie ein neuer Full-HD-Videomodus sollen der Vollformat-DSLR zu Aufnahmen mit „beeindruckender plastischer Tiefe und Detailzeichnung“ verhelfen. Ob Canon einpacken kann, verrät der ausführliche Test von PLAYER.de.
Nach Sigma (siehe Test der SD1) bietet jetzt auch Marktführer Nikon eine digitale Spiegelreflexkamera an, die Hasselblad und Co. einige Kunden abspenstig machen könnte. Schließlich verspricht die D800 mit ihren 36,3 Megapixeln eine Bildqualität auf Mittelformat-Niveau, ohne der Gattung überhaupt anzugehören. Vielmehr hat es der japanische Hersteller aber auf die neue EOS 5D Mark III des Erzrivalen Canon abgesehen.
Dazu Stefan Schmitt, Produktmanager für SLR-Systeme bei Nikon: „Bei der D800 ging es nicht darum, einen neuen Pixelrekord aufzustellen, sondern dem Fotografen ein mobiles Werkzeug mit hoher Flexibilität an die Hand zu geben.“ Getestet wurde die DSLR übrigens zusammen mit der Festbrennweite AF-S Micro Nikkor 60mm 1:2.8G ED, die sich durch ein riesiges Auflösungsvermögen auszeichnen soll.


Vorgestelltes Produkt:
Nikon D800 SLR-Digitalkamera (36 Megapixel, 8 cm (3,2 Zoll) Monitor, LiveView, Full-HD-Video) Gehäuse schwarz
Aktueller Amazon-Preis: EUR 1.599,00

Vorteile der Nikon D800 im Überblick:
+ exzellente Fotoqualität mit 36 Megapixeln
+ hervorragender Videomodus mit 1080p
+ viele Einstellmöglichkeiten
+ flotter Autofokus
+ integrierter Blitz
+ hochwertige Verarbeitung
Nachteile der Nikon D800 im Überblick:
– mittelmäßige Akkulaufzeit
– hohes Gewicht
– teilweise umständliche Bedienung
Nikon D800 | Technik

Muss man für eine digitale Mittelformatkamera einen fünfstelligen Betrag hinblättern, kostet die D800 mit 2.899 Euro nur einen Bruchteil davon. Sie ist sogar ganze 400 Euro günstiger als die unmittelbare Konkurrentin aus dem Hause Canon, doch löst ihr CMOS-Chip im 35,9 x 24,0 Millimeter großen Voll- beziehungsweise FX-Format dennoch 36,3 statt 22,3 Millionen Bildpunkte auf.
Um das Rauschverhalten trotz der deutlich höheren Pixeldichte in den Griff zu bekommen, hat Nikon seiner DSLR die neue Bildverarbeitungs-Engine „EXPEED 3“ spendiert. Sowieso bietet der Sensor einen relativ kleinen Empfindlichkeitsbereich zwischen ISO 100 und ISO 6.400, der von ISO 50 bis ISO 25.600 erweitert werden kann. Zum Vergleich: Die EOS 5D Mark III schafft es bei Bedarf auf ISO 102.400.
Darüber hinaus soll der Bildprozessor sogar rechenintensive Aufgaben ohne Abstriche bei Geschwindigkeit und Qualität meistern. Dazu gehören beispielsweise die 14-Bit-Rohdatenverarbeitung (NEF-Dateiformat) sowie Reihenaufnahmen mit bis zu vier Bildern pro Sekunde bei voller Auflösung. Der auf 200.000 Auslösungen ausgelegte Verschluss bleibt je nach Einstellung zwischen einer Achttausendstelsekunde und einer halben Minute geöffnet. Selbstverständlich lässt sich die Belichtungszeit auch manuell über den Auslöser steuern.
Zur Reduzierung von Verwacklungsunschärfen ist die D800 Nikon-typisch auf bildstabilisierende Objektive angewiesen, die mit einem „VR“ (Vibration Reduction) gekennzeichnet sind – auf die getestete Festbrennweite trifft dies leider nicht zu. Der Anschluss von Wechseloptiken erfolgt über das hauseigene F-Bajonett.

Die Scharfstellung des Motivs übernimmt das Autofokus-System Multi-CAM 3500 FX, welches auch im Flaggschiff D4 zum Einsatz kommt. Das Modul verfügt über 51 Messfelder, die man entweder einzeln anwählen oder als Gruppen mit neun, 21 respektive allen 51 Punkten konfigurieren kann. Ist jedoch der Live-View-Monitor (921.000 Pixel auf 3,2 Zoll Diagonale) aktiv, wechselt die D800 zu einem trägeren Kontrast-AF. Diesen verwendet sie auch im Videomodus, wobei der Autofokus beim Nachschärfen etwas pumpt.

Filmsequenzen landen mit einer Auflösung von maximal 1.920 x 1.080 Pixeln auf einer CF- oder SD-Speicherkarte. Aufgezeichnet wird im H.264-kodierten MOV-Format mit 24, 25 oder 30 Vollbildern pro Sekunde (1080p) beziehungsweise mit 25, 30, 50 oder 60 Hertz (720p). Eine Besonderheit ist die Bildfeldanpassung: Die D800 nutzt zum Filmen wahlweise die gesamte Sensorfläche oder verkleinert den Ausschnitt auf das DX-Format (23,6 x 15,6 Millimeter). Auf diese Weise erhält der Videograf eine „große gestalterische Freiheit“, da er zum Beispiel auf FX-inkompatible Objektive zurückgreifen kann.
Um die Tonaufnahme kümmert sich ein eingebautes Monomikrofon. Optional ist über den Audioeingang ein externes Stereomikrofon oder ein PCM-Rekorder anschließbar. Ferner lässt sich ein Kopfhörer anstöpseln, der eine kontrollierte Feinabstimmung des Tonpegels erlaubt. Eine USB-Schnittstelle, ein HDMI-Port sowie je eine Blitzsynchron- und Fernauslöserbuchse komplettieren die Anschlussmöglichkeiten. Letztere kommt sogar mit dem separat angebotenen WLAN-Adapter WT-4 zurecht, welcher die Kamera in ein Netzwerk einbindet.

Nikon D800 | Bedienung

Auf den ersten Blick erweist sich die D800 selbst bei fortgeschrittenen Fotografen als ziemlich harter Brocken. Das gilt im wörtlichen Sinne zwar genauso für das robuste und witterungsbeständige Gehäuse aus Magnesiumlegierung, doch ist hier vielmehr vom relativ komplizierten Bedienkonzept die Rede. Anders als zum Beispiel bei der gehobenen Mittelklasse-DSLR D7000, verzichtet Nikon nämlich auf das klassische Modus-Wahlrad.
Stattdessen wird das gewünschte Belichtungsprogramm – wie bei allen Profimodellen des Herstellers – etwas umständlich über die MODE-Taste und das hintere Einstellrad ausgewählt. Die entsprechende Abkürzung (P, S, A oder M) blendet die Kamera sowohl in der LCD-Anzeige auf der Oberseite als auch im optischen Sucher beziehungsweise im Live-View-Monitor ein.
Eine Vollautomatik, in der sämtliche Parameter automatisch an die vorherrschende Lichtsituation angepasst werden, sucht man vergeblich. Unerfahrene Einsteiger und Gelegenheitsknipser dürften demnach kaum Freude an der D800 haben. Außerdem unterstreichen zahlreiche manuelle Einstellmöglichkeiten die professionelle Ausrichtung. So lassen sich im Menü unter anderem der Autofokus und das Blitzgerät konfigurieren oder einige Bedienelemente individuell belegen.
Hierbei helfen das ausführliche Benutzerhandbuch und die Fragezeichen-Taste, die im Menü die einzelnen Punkte erläutert. Hat man die Kamera erst einmal an die persönlichen Bedürfnisse angepasst, geht die Bedienung völlig problemlos von der Hand. Besonders erfreulich ist das Tempo, mit der sie ihre Aufgaben erledigt – sei es die flotte Fokussierung, das Auslösen oder die flüssige Navigation durch das Menü.
Der Videomodus könnte aber eine leichte Überarbeitung vertragen. Die Aufnahme beginnt nämlich erst, wenn der Schalter neben dem Monitor auf das Videosymbol gestellt, der Live-View-Betrieb aktiviert und abschließend die rote Taste auf der Oberseite betätigt wurde. Vor allem in hektischen Situationen geht auf diese Weise wertvolle Zeit verloren.
Immerhin stellt der Kontrast-Autofokus bei hellem Licht ausreichend schnell scharf, obgleich er oftmals zum Pumpen neigt. Die Aufnahmeparameter lassen sich wie im Fotomodus über die beiden Einstellräder festlegen. Ebenso können die Display-Helligkeit und der Tonpegel mit wenigen Handgriffen verändert werden.








Trotz des hohen Gewichts von rund einem Kilogramm (Gehäuse inklusive Akku und SD-Karte) sowie Abmessungen von 146 x 123 x 81,5 Millimetern (B x H x T) bietet die D800 einen sehr angenehmen Haltekomfort. Hierzu tragen vor allem der große gummierte Griff und die durchdachte Tastenanordnung bei.
Da die wichtigsten Informationen und Parameter zusätzlich im optischen Sucher eingeblendet werden, kann der Fotograf die Kamera praktisch stets am Auge behalten. Das Okular ist mithilfe eines Hebels verschließbar, um etwa bei längeren Verschlusszeiten die Belichtung nicht zu beeinträchtigen.
Kommt es zusätzlich auf einen leiseren Spiegelschlag an, muss man lediglich das Betriebsarten-Wahlrad auf „Q“ stellen. Die Akkulaufzeit scheint subjektiv jedoch etwas kurz zu sein: Nach knapp 60 Fotos im Sucherbetrieb (RAW + JPEG) und rund 15 Minuten Full-HD-Videoaufnahmen zeigt der Indikator nur noch vier von fünf Balken an.

Nikon D800 | Kreativprogramme

Obwohl Nikons D800 Motive beziehungsweise Motivsituationen nicht selbstständig erkennen kann (Stichwort: Vollautomatik), eröffnet sie dem Fotografen umfassende kreative Möglichkeiten. Der Großteil ist allerdings nur an bereits gespeicherten Fotos und Videos anwendbar. Ausnahmen bilden hier die HDR-Automatik, die zwei unterschiedlich belichtete JPEGs zu einem Bild mit höherem Dynamikumfang zusammenfügt, das „Active D-Lighting“-Feature zur Kontrastoptimierung sowie die Intervall- und Zeitrafferaufnahme.
Die beiden letzteren Funktionen sind vom Prinzip her ähnlich, bloß wird am Ende einer Zeitrafferaufnahme eine einzige Filmdatei ausgegeben, während Intervallaufnahmen aus einzelnen Bildern bestehen. Um etwa Personen oder Landschaften optimal abzulichten, verfügt die Kamera außerdem über vordefinierte „Picture Control“-Konfigurationen, welche unter anderem den Farbton, die Sättigung, den Kontrast und die Helligkeit an das entsprechende Motiv anpassen. Diese funktionieren sowohl im Foto- als auch im Videomodus.
Das eigentliche Highlight in der Kreativ-Disziplin ist aber die interne Bildbearbeitung: Auf der D800 lassen sich die Aufnahmen ganz ohne Computer und zusätzliche Software aufpolieren. Das Menü umfasst verschiedene Korrekturfunktionen wie zum Beispiel eine Rote-Augen- oder Perspektivenkorrektur, einen Farbabgleich und ein Schneidewerkzeug.
Selbstverständlich können auch Videosequenzen direkt auf der Kamera geschnitten werden. Bildmontagen sind ebenso möglich. Diverse Farb- und Effektfilter, ein integrierter RAW-Konverter sowie ein Miniatur- und Fischaugeneffekt runden das breitgefächerte Angebot ab.


Nikon D800 | Bildqualität
Eines der Hauptargumente für die D800 ist ihr phänomenales Auflösungsvermögen von 36 Millionen Bildpunkten, das die Canon EOS 5D Mark III ziemlich alt aussehen lässt. Die unzähligen Pixel bieten ein unglaubliches Vergrößerungspotenzial. Selbst aus einem kleinen Ausschnitt kann man noch ein scharfes Foto generieren, welches locker für Postkartenabzüge ausreicht.
Allerdings birgt die hohe Pixeldichte auch ein gewisses Rauschrisiko: Ab ISO 3.200 kommen in der 100-Prozent-Ansicht leichte Störungen zum Vorschein, während die Canon-DSLR frühestens bei einem doppelt so hohen Wert erste minimale Körnungen aufweist. Im erweiterten beziehungsweise fünfstelligen ISO-Bereich kann der neue EXPEED-Bildprozessor dem Bildrauschen nur mühsam Paroli bieten.
Verglichen mit anderen digitalen Spiegelreflexkameras, schneidet die Nikon angesichts ihrer enormen Durchzeichnung bei schwachem Licht dennoch hervorragend ab. Die Dynamik überzeugt auf ganzer Linie, wobei extreme Kontrastunterschiede in JPEGs mit ein paar Detailverlusten einhergehen. Abhilfe schafft hier der 14-Bit-RAW-Modus, der Schatten- und Lichtbereiche nahezu perfekt abbildet.

An der Farbdarstellung gibt es ebenfalls kaum etwas auszusetzen. Warme Farben und sogar sanfte Verläufe kommen optimal zur Geltung. Lediglich Blau- und Grüntöne wirken vergleichsweise flau. Die wenigen Automatiken der D800 arbeiten absolut zuverlässig, was besonders für den automatischen Weißabgleich sowie die Belichtungssteuerung gilt. Um die Leistung der Kamera voll auszuschöpfen, spielt das Objektiv eine große Rolle. Das getestete AF-S Micro Nikkor 60mm 1:2.8G ED beispielsweise erweist sich als sehr auflösungsstark und beinahe verzeichnungsfrei.
Überragende Dienste leistet Nikons Profi-DSLR auch im Videomodus – zumindest unter gewissen Voraussetzungen: Der kleine Schärfentiefebereich und die zahllosen Einstelloptionen machen das Filmen zu einer echten Herausforderung, weshalb man die fast 500-seitige Bedienungsanleitung als Pflichtlektüre ansehen sollte. Ersteres Problem lässt sich immerhin durch die Umschaltung des Bildausschnitts vom FX- auf das kleinere DX-Format ein wenig eindämmen. Statt der gesamten Sensorfläche wird hier nämlich nur der mittlere Sektor ausgelesen, was eine 1,5-fache Vergrößerung bewirkt und zudem die Schärfentiefe etwas erweitert. Die Videoauflösung bleibt dabei natürlich unverändert.
So liefert die D800 in jedem Fall eine erstklassige Schärfe und akkurate Farben. Während Rolling-Shutter-Effekte (diagonale Verzerrungen) eher die Ausnahme sind, ruckeln rasante Motivbewegungen und Kameraschwenks jedoch gelegentlich. Dies dürfte mitunter auf die relativ niedrige Datenrate von 22 Megabit pro Sekunde zurückzuführen sein. Zum Vergleich: Die Canon EOS 5D Mark III schafft knapp 90 Megabit.
Auch das Bildrauschen hat die Konkurrentin – ebenso wie im Fotomodus – besser im Griff, wobei die Ergebnisse bis ISO 3.200 durchaus überzeugen. Dafür zeichnet die Nikon bei 720p-Qualität mit bis zu 60 Hertz auf. Wer hohe Ansprüche an das Video stellt, sollte übrigens auf den Autofokus verzichten: Er stellt nur pumpend und zudem recht langsam scharf.
Besser, man fokussiert manuell. Darüber hinaus empfiehlt sich die Verwendung eines externen Stereomikrofons, da das interne Mikrofon bloß in Mono aufnimmt und jedes noch so kleine Störgeräusch wie etwa den Stellmotor des AF-Systems auf die Tonspur bannt. Einen professionellen, mit der Nikon D800 aufgenommenen Kurzfilm findest Du übrigens hier.


PLAYER.de meint:
Die Nikon D800 ist für Profi-Fotografen und -Filmer gleichermaßen prädestiniert. Selbst Mittelformat-Anhänger könnten angesichts der enormen Bildschärfe und Farbtreue schwach werden, zumal der Preis von 2.800 Euro relativ günstig klingt. Ob man die DSLR im Studio oder doch lieber in der freien Natur einsetzt, spielt keine Rolle. Schließlich schützt das robuste Magnesiumgehäuse die Hardware vor äußeren Einflüssen. Dafür bringt der Body auch einiges auf die Waage. Kommt es also auf eine ruhige Kameraführung an, ist ein Stativ unabdingbar. Außerdem sollte aufgrund des erhöhten Rauschrisikos lieber die Verschlusszeit als der ISO-Wert nach oben geschraubt werden. Der erstklassige Eindruck wird deswegen aber kaum getrübt: Das gigantische Auflösungsvermögen, die zahlreichen Einstelloptionen und der ausgereifte Full-HD-Videomodus bescheren der Nikon D800 in jedem Fall ein „Sehr gut“. Unseren „Kauftipp“ hat sie sich dank des ausgezeichneten Preis-Leistungs-Verhältnisses ebenfalls verdient.
Nikon D800
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Preis lt. Hersteller: | 2.899,- Euro (nur Gehäuse) |
AUSSTATTUNG | |
Sensor/Auflösung: | CMOS mit 36,3 Megapixeln |
Objektiv: | F-Bajonett; getestet mit AF-S Micro Nikkor 60mm 1:2.8G ED, Brennweite: 60 mm (KB) |
ISO: | 50 bis 25.600 |
Verschlusszeiten: | 1/8.000 bis 30 Sekunden (+ Bulb-Modus) |
LC-Display: | 3,2 Zoll (921.000 Pixel) |
Besonderheiten: | Vollformatsensor mit 36,3 Megapixeln, 51-Punkt-AF-System, Full-HD-Videos mit manueller Steuerung, CF- und SD-Kartenslot, netzwerkfähig, Magnesiumgehäuse |
BEWERTUNG | |
Technik: | 5 von 5 Punkten |
Bedienung: | 4 von 5 Punkten |
Kreativprogramme: | 4,5 von 5 Punkten |
Fotoqualität: | 5 von 5 Punkten |
Videoqualität: | 5 von 5 Punkten |
PLAYER.de GESAMTWERTUNG | Sehr gut (mit Kauftipp) |